Wenn ich schrie, wurde sie nur noch wütender. Dann nahm sie Gegenstände, um mich zu bestrafen und schlug wütend auf mich ein. Wenn ich mich wehrte, wurde es nur noch schlimmer.
Da ich nicht wollte, dass sie trank, versuchte ich immer ihre Bierflaschen zu verstecken, aber sie fand sie immer. Ich machte mir immer Sorgen um meine Mutter und Angst, sie zu verlieren. Oft half ich ihr ins Bett, wenn sie vor lauter Bier nicht mehr alleine ins Bett gehen konnte.
Meine Mutter verbot mir, nach draußen zu gehen und zu spielen. Ich musste den Haushalt machen. Schon ungefähr mit acht oder neun Jahren konnte ich daher ein bisschen kochen, putzen und einkaufen. Ich passte auch oft auf meinen kleinen Bruder auf. Ob ich zur Schule ging oder nicht, war ihr egal. Sie fragte mich auch nie, ob ich Hausaufgaben aufhatte. Sie interessierte sich nicht dafür. Meine Mutter hatte viele Freunde, die uns oft besuchten. Einer von diesen Freunden vergewaltigte mich. Ich habe es meiner Mutter nie erzählt, es hätte sie nicht interessiert…
Einmal schlug sie mich so stark, dass ich blaue Flecken im Gesicht hatte. Ich log meine Lehrerin an, als sie mich danach fragte. Einmal brach sie mir den Arm, im Krankenhaus habe ich natürlich auch gelogen.
Am Schlimmsten war für mich, wenn sie mich so böse beschimpfte, dann nannte sie mich „Dreckschlampe, Pissblag“ und sagte: „Du bist ein Stück Dreck, ein Stück Sch…“. Das tat mir weh. Ich glaubte das ja auch und fühlte mich wirklich wertlos. Ich wusste nie, warum sie mich so beschimpfte. Das war auch eines der schlimmsten Dinge. Sie konnte manchmal ganz nett zu mir sein, um dann – im nächsten Augenblick – anzufangen, mich zu schlagen oder anzuschreien. Ich wusste nie, woran ich war. Einmal wollte sie sich umbringen, ich saß auf ihrem Schoß, da war ich noch ganz klein. Sie sagte mir, dass sie sterben wolle und nahm Scherben und ritzte sich die Arme auf, es blutete überall. Dieses Bild werde ich nie vergessen.“
Als Anna mit zwölf Jahren in ein normales Heim kommt, nutzt sie jede Gelegenheit, um zu rauchen und zu trinken. Sie leidet unter Schlafstörungen, Alpträumen und Depressionen. Häufig fügt sie sich selbst Verletzungen zu. Sie ist den Anforderungen in der Schule nicht gewachsen, obwohl man ihr eine gute Intelligenz attestiert. Sie ist angespannt, kann Kritik nicht ertragen, wird schnell aggressiv. Sie ist misstrauisch und kann kein Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen aufbauen. Anna hat Selbstmordphantasien.
Schnell ist klar, dass das Heim mit ihrer Problematik überfordert ist. Anna kommt in eine kinderpsychiatrische Klinik. Aber das kann nur ein Zwischenstopp sein, denn nach vier bis maximal zwölf Wochen muss sie hier auch wieder weg.